Welche Formen von Hodenhochstand gibt es?

  • Leistenhoden: Der Hoden verbleibt im Leistenkanal (röhrenförmige Verbindung zwischen Bauchhöhle und Genitalbereich)
  • Bauchhoden: Der Hoden verbleibt im Bauchraum.
  • Gleithoden: Der Samenstrang ist zu kurz, weshalb der Hoden immer wieder zurück in den Leistenkanal gleitet.
  • Pendelhoden: Hierbei befindet sich der Hoden regulär im Hodensack. Jedoch können äußere Einflüsse wie Berührung und Kälte oder auch sexuelle Erregung dazu führen, dass er in den Leistenkanal wandert.

Wie kommt es zu einem Hodenhochstand?


Etwa drei Prozent aller Jungs, die termingerecht zur Welt kommen, haben einen Hodenhochstand. Bei Frühgeborenen sogar etwa jeder dritte.1 Der Grund: Erst in den letzten beiden Monaten vor der Geburt erreichen die Hoden den Hodensack.2 Kommt das Baby allerdings zu früh zur Welt, ist diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Zu den weiteren möglichen Ursachen gehören:

  • anatomische Besonderheiten wie ein Leistenbruch, die die Hoden daran hindern, nach unten zu wandern
  • Hormonstörungen, oder genauer gesagt die zu geringe Ausschüttung des Hormons Gonadotropin, das wichtig ist für die Entwicklung der männlichen Keimdrüsen
  • erbliche Veranlagungen

Grundsätzlich gilt jedoch, dass die genauen Ursachen, die zu einem Hodenhochstand führen, noch nicht vollumfassend erforscht sind.

Welche Aufgaben erfüllen die Hoden?

Die Hoden produzieren neben dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron auch die Spermien. Während die Spermien für die Fortpflanzung eine essenzielle Rolle spielen, ist das Testosteron vor allem involviert in die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale des Mannes (tiefe Stimme, Bartwuchs, Körperbehaarung, Verteilung der Muskulatur). Bleibt im Säuglingsalter ein Hodenhochstand unbehandelt, kommt es mitunter zu einer Störung der Ausreifung der Spermien. Für diesen Vorgang benötigen sie niedrigere Temperaturverhältnisse, als die der regulären Körpertemperatur zwischen 36,5 und 37,4 Grad Celsius.3 Befinden sich die Hoden nicht im Hodensack – dort herrscht eine leicht niedrigere Temperatur als im Rest des Körpers — ist dies durch zu große Wärme nicht gewährleistet.

Formen des Hodenhochstands


Für einen Hodenhochstand gibt es — anders als man vielleicht annehmen könnte — nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe unterschiedlicher Ausprägungen. Dabei unterscheiden Mediziner je nach Lage:

  • Leistenhoden: Der Hoden verbleibt im Leistenkanal, dort ist er auch tast- aber nicht nach unten verschiebbar. Mit circa 60 Prozent ist dies die häufigste Form des Hodenhochstands.1
  • Bauchhoden: Er liegt im Bauchraum. Der Kinderarzt kann diesen nicht tasten, aber bei der Ultraschalluntersuchung sehen.
  • Gleithoden: Da der Samenstrang zu kurz ist, gleitet der Hoden sofort nachdem man ihn mit der Hand nach unten geschoben hat, zurück in den Leistenkanal.
  • Pendelhoden: Zwar liegt dieser meist im Hodensack, doch äußere Einflüsse wie Berührung oder Kälte führen zu einem vorübergehenden Hodenhochstand. Selbiges geschieht durch den Zug des sogenannten Musculus cremaster, einem Muskel, der den Hoden nach oben zieht, wenn sich die Betroffenen bewegen. Wie weit der Hoden nach oben geht, variiert von Person zu Person. Sowohl eine Lage oberhalb des Hodensacks als auch im Leistenkanal ist möglich.

Da der Pendelhoden von selbst wieder nach unten in den Hodensack wandert, ist in der Regel keine Therapie notwendig. Trotzdem sollten Eltern, die Jungen mit dieser Form des Hodenhochstands haben, einmal jährlich zum Kinderarzt gehen. In bis zu 45 Prozent der Fälle ist es möglich, dass eine sogenannte sekundäre Aszension auftritt.4 Das heißt, der Pendelhoden verliert seine Elastizität, wodurch er nicht mehr von selbst nach unten in den Hodensack wandert. Eine Behandlung ist in diesem Fall unumgänglich.

Davon ausgenommen sind beispielsweise Fälle der sogenannten Anorchie, wobei die Hoden entweder komplett fehlen oder nicht funktionstüchtig sind.

Hodenhochstand beim Baby: Wann müssen Erwachsene handeln?


Es besteht die Möglichkeit, dass bei Hodenhochstand in den ersten sechs Lebensmonaten eines Neugeborenen die Hoden selbstständig nach unten in den Hodensack wandern (Spontandeszensus). Bis der Nachwuchs etwa ein halbes Jahr alt ist, sollte mit der Behandlung also gewartet werden. Dennoch ist es in jedem Fall ratsam, mit einem Kinderarzt zu sprechen, sofern Ihnen in dieser Hinsicht etwas Ungewöhnliches auffällt.

Wird das Kind allerdings ein Jahr alt, sollte die Behandlung bereits abgeschlossen sein, um Folgeschäden des Hodenhochstands wie etwa Unfruchtbarkeit zu verhindern.5 Zu einem späteren Zeitpunkt regelt sich ein Hodenhochstand nämlich nicht von selbst. Daher ist es wichtig, entsprechend rechtzeitig — also im Zeitraum des zweiten Halbjahres — zu handeln.

Gut zu wissen!

Bei Frühgeborenen gilt das korrigierte Alter. Das heißt, es wird der ursprünglich errechnete Geburtstermin herangezogen — nicht der tatsächliche — da die Kinder zum Zeitpunkt der Entbindung noch nicht voll entwickelt sind.

Welche Behandlung bei Hodenhochstand?


Während der Pendelhoden in den meisten Fällen keiner Behandlung bedarf, empfiehlt die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) für Gleithoden den Einsatz von Hormonen. In allen anderen Fällen ist eine Operation anzustreben.

Bei der Hormontherapie wird entweder der Wirkstoff GnRH (Gonadotropin releasing hormone) in Form eines Nasensprays oder das Hormon hCG (humanes Choriongonadotropin) als Spritze verabreicht. Auch eine Kombination aus beidem ist denkbar. Ziel ist hier, mit der Gabe von Hormonen die Hoden soweit anzuregen, dass sie nach unten in den Hodensack wandern. Die Erfolgsquote der konservativen Therapie mit Hormonpräparaten wird in einem Beriech von 20 bis etwa 50 Prozent angegeben.5 Sie gilt also nur bedingt als erfolgversprechend und wird daher (außer beim Pendelhoden) nicht als bevorzugte Methode betrachtet. Mit ein Grund dafür sind mögliche Nebenwirkungen wie etwa

  • Schmerzen im Genitalbereich,
  • das vermehrte Wachstum von Schamhaaren und Penis des Säuglings.

Vor diesem Hintergrund wird bei Hodenhochstand häufiger eine Operation empfohlen. Diese kann auf zwei unterschiedliche Arten durchgeführt werden: Entweder mittels eines sogenannten Laparoskops (längliches Instrument mit Lichtquelle, für Behandlungen innerhalb der Bauchhöhle) bei der nur eine sehr kleine Operationsöffnung in der Bauchdecke nötig ist, oder als offene Operation, wobei der Hoden vollständig freigelegt wird.

Lassen Sie sich beraten!

Welche Behandlungsstrategie sich für Ihr Kind am besten eignet sowie welche möglichen Komplikationen beziehungsweise Heilungschancen bestehen, wird Ihnen Ihr Arzt in einem ausführlichen Beratungsgespräch mitteilen.

Bei der laparoskopischen Operation werden Hoden und Samenstrang — sofern nötig — von dem umgebenden Gewebe befreit und im Anschluss über den Leistenkanal zurück in den Hodensack befördert. Sollte der Hoden einige Zentimeter entfernt vom Leistenkanal liegen, wird der zweite Schritt meist erst in einem späteren Eingriff vollzogen. Vorher besteht durch die Freilegung die Chance, dass er sich von selbst nach unten bewegt und das manuelle Verlagern des Hodens nicht nötig ist.

Die offene Operation findet in der Regel über die Leiste statt (inguinale Orchidopexie) und ist meist bei Leistenhoden nötig. Im Verlauf der Operation wird der freigelegte Hoden in den Hodensack verlagert und dort durch eine Naht befestigt. Eine weitere Variante stellt die sogenannte Autotransplantation dar, die vor allem bei Bauchhoden zum Einsatz kommt. Hier sind die verbindenden Gefäße der Hoden zu kurz, weshalb sie zunächst abgetrennt und mit näher am Hodensack liegenden Gefäßen der Bauchdecke wieder verbunden werden.

Insgesamt sind derartige operative Eingriffe als wenig risikoreich einzustufen und dauern je nach Methode ungefähr 45 Minuten.6 Für gewöhnlich wird das betroffene Kind unter Vollnarkose behandelt, muss im Anschluss jedoch nur selten im Krankenhaus verbleiben und kann direkt wieder mit nach Hause genommen werden.

Folgen eines unbehandelten Hodenhochstands


Eine der gravierenden Auswirkungen eines nicht therapierten Hodenhochstands ist die Unfruchtbarkeit. Da es beispielsweise in der Bauchhöhle oder im Leistenkanal wärmer ist als im außerhalb des Körpers liegenden Hodensacks, nehmen die samenbildenden Zellen der Keimdrüsen Schaden. Sind beide Hoden nicht an ihrem angestammten Platz, liegt die Wahrscheinlichkeit für Unfruchtbarkeit eines unbehandelten Hodenhochstands bei 80 Prozent. Ist nur ein Hoden betroffen, sind es 40 Prozent.1

Darüber hinaus besteht zusätzlich ein erhöhtes Risiko, an einem Hodenmalignom (bösartiger Tumor) zu erkranken. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hierfür auch nach erfolgreicher Therapie gegeben. Bei Männern, bei denen als Säugling ein Hodenhochstand diagnostiziert wurde, entstehen Tumore bis zu achtmal häufiger und das in der Regel in einem Alter von 20 bis 40 Jahren.7 Typische, frühe Anzeichen dafür sind:

  • Veränderungen in der Größe der Hoden
  • fühlbare Änderungen der Konsistenz der Hoden
  • keine spürbaren Schmerzen in diesem Zusammenhang

Da derartige Veränderungen bereits im Kindesalter auftreten können, sollten Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen und sie dafür sensibilisieren. Sobald im Kindes- oder im späteren Teenageralter dahingehend etwas Ungewöhnliches bemerkt wird, ist es ratsam, frühzeitig die Hilfe eines Kinderarztes oder Urologen in Anspruch zu nehmen. Je eher ein Hodenkrebs beispielsweise durch Abtasten erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen.

Ein weiterer Grund für die Therapienotwendigkeit eines Hodenhochstands ist die, durch die erhöhte Beweglichkeit der Hoden gegebene Gefahr einer schmerzhaften Hodentorsion, bei der sich der Hoden samt Samenstrang um die eigene Achse dreht und so die Blutzufuhr abschnürt. Aufgrund des damit verbundenen Risikos des Absterbens von Gewebe, gilt die Hodentorsion als urologischer Notfall und muss umgehend im Krankenhaus behandelt werden.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Julia Lindert Die Ressortjournalistin Julia Lindert spezialisierte sich während ihres Studiums auf die Themenfelder Medizin und Biowissenschaften. Medizinische Sachverhalte in verständlicher Sprache zu formulieren, ist das, was sie an ihrer Arbeit besonders mag. Ihr Credo in Bezug auf Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten: Nichts beschönigen, aber auch keine unnötigen Ängste schüren. Julia Lindert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
Jan Zimmermann Egal ob Video, Foto oder Text – Hauptsache die Kreativität kommt nicht zu kurz. Noch während seines Masterstudiums der Medienwissenschaften und der Arbeit als Multimedia Content Creator in München, entwickelte Jan Zimmermann eine Passion für das Schreiben. Seit 2018 lebt er diese als Medizinredakteur bei kanyo® aus. Jan Zimmermann Medizinredakteur und Medienwissenschaftler kanyo® mehr erfahren
Quellen anzeigen