Was ist ein akutes Nierenversagen?


Ein akutes Nierenversagen wird auch als Niereninsuffizienz bezeichnet. Dabei nimmt die Nierenfunktion innerhalb kurzer Zeit (meist innerhalb von 48 Stunden) ab – in schweren Fällen ist es sogar möglich, dass die Nieren komplett aufhören zu arbeiten.1 Die Ursachen hierfür sind vielfältig – von durchfallbedingtem starkem Flüssigkeitsverlust über bestimmte Medikamente bis zu Vorerkrankungen.  

Sind die Nieren nicht mehr in der Lage, ihren Aufgaben nachzukommen, hat das weitereichende Folgen: Die Aufgabe der Nieren besteht unter anderem darin, das Blut zu filtern und Abfallstoffe sowie überschüssige Flüssigkeiten zu entfernen. Diese werden mit dem Urin ausgeschieden. Können die Nieren dieser Funktion nicht mehr nachkommen, verbleiben die Abfallstoffe und Flüssigkeiten im Körper. In der Folge kommt zu einer langsamen Vergiftung, was zum urämischen Koma und zum Tod führen kann. 

Die gute Nachricht ist jedoch: Wird die Niereninsuffizienz rechtzeitig erkannt und therapiert, stehen die Heilungschancen gut.

Ursachen und Risikofaktoren für ein akutes Nierenversagen


Infografik zu den Ursachen eines akuten Nierenversagens.

Es gibt eine Vielzahl an Ursachen, die ein akutes Nierenversagen auslösen können. In der Medizin werden diese nach ihrem Entstehungsort unterschieden: vor der Niere (prärenal), in der Niere (intrarenal) oder hinter der Niere (postrenal).2 

  • Ein prärenales Nierenversagen ist auf eine schlechte Durchblutung der Nieren zurückzuführen, beispielsweise aufgrund eines starken Flüssigkeitsverlustes (Dehydration oder hohen Blutverlustes infolge von anhaltendem Durchfall entstehen. Aber auch ein Herzinfarkt kann dafür sorgen, dass die Nieren mit weniger Blut versorgt werden und so ein prärenales Nierenversagen zur Folge haben. Die prärenalen Ursachen sind für etwa 60 Prozent aller akuten Niereninsuffizienzen verantwortlich. 
  • Bei einem intrarenalen Nierenversagen ist die Niere selbst geschädigt. Häufigster Auslöser ist die akute Tubulusnekrose (ATN), die unter anderem durch eine unzureichende Durchblutung, bestimmte Medikamente oder schwere Infektionen ausgelöst werden kann. Ein intrarenales Nierenversagen lässt sich bei rund 35 Prozent der Patienten feststellen.  
  • Liegen postrenale Ursachen vor, kann der Harn nicht ausreichend abfließen. Auslöser sind zum Beispiel Verstopfungen der ableitenden Harnwege durch Nierensteine oder Tumore. Postrenales Nierenversagen ist eher selten – nur 5 Prozent der Fälle gehen auf hinter der Niere liegende Ursachen zurück.  

Zu den Risikofaktoren, die ein akutes Nierenversagen begünstigen, zählen unter anderem: 

  • ein hohes Alter 
  • koronare Herzerkrankungen 
  • Herzinsuffizienz 
  • Bluthochdruck 
  • Diabetes mellitus 
  • Harnabflussstörungen 

Symptome und Verlauf eines akuten Nierenversagens


Das Problem am Nierenversagen ist, dass es sich zunächst kaum äußert. Ein erster Hinweis auf die Insuffizienz kann eine verminderte Harnmenge sein.  

Die meisten Betroffenen verspüren jedoch erst dann Symptome, wenn etwa 90 Prozent der Nierentätigkeit verloren sind.3 Durch die eingeschränkte Nierenfunktion wird überschüssiges Wasser nicht mehr ausgeschieden, was unter anderem dazu führt, dass beispielsweise mehr Harnstoff und Kreatinin im Blut verbleiben. Dadurch kommt es zu unterschiedlichen Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Durchfall sowie Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten

Aufgrund der zurückgehenden Urinausscheidung sind zudem Wassereinlagerungen (Ödeme) möglich: 

  • Zu Beginn lagert sich das Wasser, das die kranken Nieren nicht mehr ausscheiden, in den Beinen ab. Diese fühlen sich schwer und aufgedunsen an, sehen auch angeschwollen aus.  
  • Im weiteren Verlauf kann die Flüssigkeit in die Lunge (Lungenödem) gelangen, wodurch es zu Atemproblemen wie Luftnot kommt. 
  • Auch im Bauchraum sind Wassereinlagerungen möglich. Die Bauchwassersucht (Aszites) kann sich beispielsweise durch Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen, aber auch Atemnot bemerkbar machen. 

Im Endstadium eines akuten Nierenversagens kommt es zur Harnvergiftung (Urämie). Dabei stellen die Nieren ihre Funktion vollständig ein. Neben einem Harnverhalt kommt es zur krankhaften Ansammlung mit harnpflichtigen Stoffen wie Harnsäure oder Kreatinin im Blut. Die toxischen Auswirkungen der Urämie können alle Organsystem betreffen und sich durch verschiedene Beschwerden äußern. Möglich sind: 

  • Müdigkeit 
  • Kopfschmerzen 
  • Übelkeit und Erbrechen 
  • bräunlich-gelb gefärbte Haut mit Juckreiz  
  • schlecht riechender Atem (nach Urin)  

Später sind Betroffene oftmals verwirrt oder können epileptische Anfälle haben. Auch Bewusstlosigkeit und Koma sind mögliche Auswirkungen.

Interessant!

Die Art der Symptome kann Aufschluss über die Ursache geben: So zeigt sich ein prärenales Nierenversagen, das durch hohen Flüssigkeitsverlust verursacht wird, beispielsweise vermehrt durch Durst oder trockene Schleimhäute. Ein postrenales Nierenversagen äußert sich hingegen durch kolikartige Schmerzen im Unterbauch, da dieses zum Beispiel durch Nieren- oder Harnleitersteine ausgelöst wird.

So wird eine Niereninsuffizienz diagnostiziert


Laborant untersucht eine Gewebeprobe der Niere.

Um ein akutes Nierenversagen festzustellen, nutzt der Arzt verschiedene Diagnoseverfahren: 

  • Urinuntersuchung: Der Urin wird auf Eiweiße und rote Blutkörperchen untersucht, da diese bei gesunden Nieren nicht in großen Mengen auftreten sollten.  
  • Kreatinin-Wert im Blut: Kreatinin ist ein Abfallprodukt, das von den Nieren über den Urin ausgeschieden wird. Ist der Wert im Blut zu hoch, deutet das auf eine eingeschränkte Nierenfunktion hin.  
  • Ultraschall: Mit dessen Hilfe lassen sich Harnabflussstörungen, zum Beispiel durch eine vergrößerte Prostata oder andere strukturelle Veränderungen der Nieren, erkennen. 

Bleibt die Ursache nach den genannten Untersuchungsmethoden weiterhin unklar, kann eine Nierenbiopsie durchgeführt werden. Das entnommene Gewebe wird mikroskopisch untersucht, um die genaue Nierenerkrankung zu bestimmen.  

Wie wird ein akutes Nierenversagen behandelt?


Mann wird von EKG überwacht, da er unter akutem Nierenversagen leidet.

Die Behandlung der Niereninsuffizienz ist abhängig von der Ursache. Das bedeutet beispielsweise: 

  • Kann der Urin aufgrund von Harn- oder Nierensteinen nicht ausgeschieden werden, müssen diese entfernt werden.  
  • Sind bestimmte Medikamente verantwortlich, prüfen Ärzte, welche Alternativen es gibt.  
  • Bei einer Entzündung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis) kann eine immunsuppressive Therapie notwendig sein, um die Aktivität des Immunsystems gezielt zu unterdrücken. 
  • Ist die Nierenfunktion stark eingeschränkt, kann ein (vorübergehendes) Nierenersatzverfahren wie die Hämodialyse erforderlich sein. 

In einigen Fällen ist die Schädigung der Niere so schwerwiegend, dass eine dauerhafte Dialyse erforderlich ist. Alternativ können Ärztinnen und Ärzte auch eine Nierentransplantation in Erwägung ziehen.

Unabhängig von der Ursache ist es wichtig, den Flüssigkeitshaushalt des Patienten im Blick zu behalten. Denn zu viel Flüssigkeit im Körper kann zu teils lebensbedrohlichen Schwellungen (Ödemen) führen. Um dies zu vermeiden, können harntreibende Medikamente zum Einsatz kommen. Diese unterstützen den Körper bei der Ausscheidung.  

Aber auch zu wenig Flüssigkeit kann das Nierengewebe schädigen. Um das Defizit auszugleichen, wird dem Patienten eine Infusion gelegt.  

Wie sieht die Nachsorge aus?

Nach erfolgreicher Therapie ist es wichtig, dass Patienten ihre Nierenfunkton regelmäßig von ihrem Hausarzt oder einem Nephrologen (Facharzt für Nieren- und Hochdruckerkrankungen) prüfen lassen. Die Vorsorge umfasst meist die Untersuchung des Urins auf Eiweißausscheidungen sowie die Bestimmung des Kreatinin-Wertes im Blut.

Prognose bei akuter Niereninsuffizienz


Generell gilt: Rechtzeitiges Erkennen und Behandeln der akuten Niereninsuffizienz erhöhen den Therapieerfolg. Ist dies gegeben, erholt sich die Nierenfunktion bei den meisten Patienten wieder vollständig.2  

Allerdings hängt die Prognose von verschiedenen Faktoren ab: 

  • der Ausprägung der zugrundeliegenden Ursache 
  • dem Vorliegen einer bereits bestehenden Nierenfunktionsstörung  
  • dem Alter des Patienten  
  • der Dauer bis zur Einleitung der Therapie 

In schweren Fällen können sich langfristige Folgen ergeben:4  

  • 10 Prozent der Patienten benötigen eine dauerhafte Blutwäsche (Dialyse) oder Nierentransplantation.  
  • 20 bis 30 Prozent der Betroffenen entwickeln eine chronische Niereninsuffizienz.  

Ein erhöhtes Risiko haben Patienten auf der Intensivstation, da beispielsweise ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, sowie solche mit schweren Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wie hoch ist die Lebenserwartung bei akutem Nierenversagen?

Ein unbehandeltes oder schweres akutes Nierenversagen kann in einigen Fällen tödlich verlaufen, insbesondere bei bereits vorbelasteten Patienten. Genauere Aussagen zur Lebenserwartung oder zum Zeitpunkt eines möglichen Todes sind jedoch schwer zu treffen, da individuelle Faktoren wie die körperliche Verfassung, Lebensgewohnheiten und genetische Veranlagungen bei jedem Betroffenen eine Rolle spielen. 

Lässt sich einem akuten Nierenversagen vorbeugen?


Frau nimmt Schmerzmittel ein, was allerdings das Risiko für akutes Nierenversagen erhöhen kann.

Die Prävention eines akuten Nierenversagens ist nur bedingt möglich. Dennoch gibt es Maßnahmen, die Sie ergreifen können, um das Risiko generell zu senken: 

  • Vermeiden Sie die langfristige oder hochdosierte Einnahme von Schmerzmitteln! Bei bereits vorgeschädigten Nieren kann die Einnahme von Arzneimitteln mit Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Diclofenac zu einem akuten Nierenversagen führen. 
  • Trinken Sie ausreichend! Eine zu geringe Trinkmenge kann vor allem bei älteren Menschen, insbesondere wenn sie Entwässerungstabletten einnehmen, oder bei starkem Erbrechen und/oder Durchfall ein akutes Nierenversagen bedingen.  
  • Führen Sie regelmäßige Checks beim Arzt durch! Vor allem Risikopatienten, beispielsweise Menschen mit einer chronischen Nierenerkrankung, Diabetiker sowie Bluthochdruckpatienten, sollten ihre Nierenfunktion regelmäßig kontrollieren lassen. 

Zudem gibt es zum Schutz der Nieren bestimmte Medikamente. Inwiefern diese in Betracht kommen, sollten Patienten mit ihrem behandelnden Arzt besprechen.  

Häufig gestellte Fragen zu akutem Nierenversagen


Was ist der Grund für ein akutes Nierenversagen?

Bei einem akuten Nierenversagen werden verschiedene Ursachen unterschieden: prärenal (vor der Niere), intrarenal (in der Niere) oder postrenal (nach der Niere). Prärenale Ursachen wie Flüssigkeitsverlust oder ein Herzinfarkt beeinträchtigen die Nierendurchblutung. Intrarenale Ursachen umfassen direkte Nierenschäden durch beispielsweise Medikamente oder Infektionen. Postrenale Ursachen, zu denen Harnwegsverstopfungen zählen, verhindern den Urinabfluss.

Welche Symptome gibt es beim akuten Nierenversagen?

Die Symptome eines akuten Nierenversagen treten häufig erst spät auf, wenn es bereits zu einer Schädigung der Nieren gekommen ist. Mögliche Beschwerden sind dann eine verminderte Urinproduktion, Wasseransammlungen (Ödeme) in Beinen und Lunge, sowie eine Harnvergiftung (Urämie) mit Übelkeit, Kopfschmerzen und Juckreiz. Im weiteren Verlauf können Verwirrung, Krampfanfälle oder Bewusstlosigkeit hinzukommen.

Was wird im Krankenhaus bei einem Nierenversagen gemacht?

Im Krankenhaus wird die genaue Ursache diagnostiziert und abhängig davon behandelt. Liegt beispielsweise eine Störung beim Urinabfluss aus der Blase vor, kann ein Katheter Abhilfe schaffen. Allgemein ist es wichtig, den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt des Patienten zu stabilisieren.

Wie lange kann man mit Nierenversagen leben?

Die Überlebensdauer bei einem akuten Nierenversagen variiert je nach Schwere und Behandlungserfolg. Bei rechtzeitiger Therapie erholen sich viele Patienten mit akutem Nierenversagen vollständig. In schweren Fällen ist eine lebenslange Dialyse (Blutwäsche) oder eine Nierentransplantation notwendig. Unbehandelt kann akutes Nierenversagen zum Tod führen.

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Tanja Albert Von der Schülerzeitung übers Journalismus-Studium in die Online-Redaktion von kanyo® - Tanja Albert hat das Schreibfieber gepackt. Gemischt mit ihrem Interesse für Ernährungs- und Gesundheitsthemen stürzt sie sich Tag für Tag in die medizinische Recherche - und bringt das Ganze auch in die Sozialen Netzwerke, nämlich als Social Media Managerin. Tanja Albert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
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